Schon in unserem VorWeg #4 haben wir euch von Nikolausberg, der Verehrung des heiligen Nikolaus und der dortigen Wallfahrt berichtet. Während wir euch in diesem ersten Post zeigen wollten, was wir heute noch über die dortige Wallfahrt wissen, so sollt ihr hier nun einen Eindruck von der Kirche in Nikolausberg bekommen: Viele der mittelalterlichen Bildwerke haben sich bis heute erhalten, einige stehen noch immer an ihrem originalen Aufstellungsort. So ist das nicht nur das Bild wie wir die Kirche gesehen haben, sondern vielleicht auch die Form wie sie sich einem mittelalterlichen Pilger präsentiert haben mag.
Punkt 17:00 Uhr am Sonntag erreichen wir die Kirche. Dort treffen wir Ulrich Hundertmark, den Vorsitzenden des Kirchenvorstands, und Hildburg Rosenbauer, die örtliche Heimatpflegerin. Frau Rosenbauer führt uns chronologisch durch die Kirche: Angefangen mit den Säulenkapitellen und der Skulptur einer Sitzmadonna, arbeiten wir uns vor Richtung Hauptaltar. Das jüngste Zeugnis sind die Graffiti der Kirchenbesucher, die bis in die Neuzeit reichen und sich hoch über die Wände des Chors erstrecken.
1) Die ältere Sitzmadonna an der Ostwand des südlichen Seitenschiffs stammt aus der Gründungszeit der Kirche im 12. Jh. Ihre Hände und das Kind sowie die Fassung und die Steine fehlen heute. Ob sie einmal Reliquien barg, ist ungewiss. 2) Die jüngere Sitzmadonna (frühes 14. Jh.) befindet sich am südlichen Vierungspfeiler. Anders als ihre ältere Schwester ist ihre Körpersprache lockerer und fließender. Der Thron, auf dem sie saß, wurde im 19. Jahrhundert abgesägt, als sie als Ersatz für fehlende Figuren in den Hauptaltar eingesetzt wurde. 3) In die gleiche Zeit datiert die Nikolausstatue in der Verlängerung des nördlichen Seitenschiffs. Im Mittelalter barg sie, genauso wie die jüngere Madonna, vermutlich Reliquien. Sie ist heute das “Wahrzeichen” der Kirchengemeinde. Die Fassung ist nicht mehr original. 4) Dieses Altarretabel am nördlichen Vierungspfeiler stammt aus der Zeit um 1400. Möglicherweise handelt es sich um das ehemalige Hauptaltarretabel, denn es datiert in die gleiche Zeit wie die Chorerweiterung. Dargestellt ist das Leben Christi, allerdings war die Mitteltafel so beschädigt, dass die fehlenden Bilder in moderner Interpretation von einem Künstler ergänzt wurden. 5-8) Der heutige Hauptaltar stammt aus der Zeit kurz vor 1500. Er zeigt geschnitzt die Kreuzigung Christi, umringt von einigen Heiligen in den Altarflügeln. Die meisten sind verloren und wurden später ergänzt, u.a. wurde auch die (2) hier vorübergehend eingesetzt. Der Altar ist ganz auf die Kirche und ihren Nikolauskult ausgerichtet: So findet sich Nikolaus im Hintergrund der Kreuzigungsszene (6) und Reste eines Nikolauses sind auch noch auf der Rückseite des Altarunterbaus (Predella) zu erkennen (7). Hinter der kleinen Tür in der Predellenrückseite wurden ursprünglich vermutlich die Reliquien des Heiligen verwahrt (8). Sie ist heute übersät von den Inschriften zahlreicher neuzeitlicher Kirchenbesucher. 9) Auch im 16. Jahrhundert verewigten sich aber schon Besucher in der Kirche wie bspw. Hans Roleff. Sein Graffiti von 1560 zählt zu den ältesten sicher datierbaren und fällt damit kurz nach die lutherische Reformation – ob er, ganz im protestantischen Sinne, lediglich Kirchenbesucher war oder ob dahinter vielleicht doch noch Motive einer katholischen Heiligenverehrung standen, ist nicht mehr zu sagen.
Im 14. Jahrhundert wurde der Chor der Kirche im gotischen Stil erweitert. Dieser Umbau war auch ein Service für die Wallfahrer. Sie konnten nun den Altar umrunden und dadurch den Reliquien in der Predella besonders nahe kommen. Philipp nimmt den Weg, den auch ein mittelalterlicher Pilger damals gegangen sein mag und nimmt euch im Video mit.
Obwohl die Wallfahrt zum heiligen Nikolaus genauso wie seine Reliquien mit der Reformation verschwanden, spielt der Heilige auch heute noch eine große Rolle in der Nikolausberger Gemeinde. So berichtet Herr Hundertmark vom Aktionsjahr “1000 Jahre Nikolausverehrung” 1999. Damals gab es eine Ausstellung zum heiligen Nikolaus in der Klosterkirche. Und seitdem werden in Nikolausberg auch wieder regelmäßig Kinderbischöfe gewählt.
Der Brauch der Kinderbischöfe geht auf das 13. Jahrhundert zurück. Einmal im Jahr, meistens am Nikolaustag, wurde ein Kinderbischof gewählt, der für einen Tag das Amt des Bischofs oder Abts und einen Teil seiner Aufgaben übernehmen durfte. Er gab nun den Ton an. Die Tradition entstand an Kloster- und Stiftsschulen und verbreitete sich von dort auch schnell in andere Kreise. Mit der Reformation verschwand der Brauch langsam wieder.
Nikolausberg ist heute eine von wenigen Kirchengemeinden in Deutschland, wo diese Tradition wieder auflebt, jedoch in etwas anderer Form. Jährlich zum Nikolaustag werden im Beisein der Nikolausstatue drei Kinder aus dem Ort gewählt, die dann für ein Jahr die Interessen der Jüngeren vertreten dürfen. Während ihrer Amtszeit organisieren sie gemeinsame Aktionen, ehren einen besonders kinderfreundlichen Erwachsenen und stärken so den Dialog zwischen Kindern und Erwachsenen im Ort. Natürlich haben die drei Kinderbischöfe auch eine Amtskleidung: eine Amtskette mit dem Nikolausberger Pilgerzeichen. Nikolaus ist und bleibt also in Nikolausberg lebendig!
Nach der Führung gab es noch kleine Snacks und Getränke für uns. Wir bedanken uns ganz herzlich bei der Kirchengemeinde Nikolausberg und ganz besonders bei Ulrich Hundertmark und Hildburg Rosenbauer für den freundlichen Empfang, die Unterstützung, das Engagement und die Bereitschaft, uns die Kirche zu zeigen!
Und wir hoffen, auch euch hat es gefallen! Natürlich ist das, was wir euch hier zeigen, nur ein kleiner Einblick in die ehemalige Klosterkirche Nikolausberg. Aber wir wollen ja auch nicht zu viel verraten. Wenn ihr die Kirche selbst einmal besuchen und den Weg der mittelalterlichen Wallfahrer gehen wollt, sie ist in den Sommermonaten täglich für Besucher geöffnet. Ein Besuch lohnt sich!
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