#4: Der heilige Maler

Quentin Massys (Werkstatt), Der Hl. Lukas als Maler, um 1520 (?) – London, National Gallery

Vergangenen Sonntag war ich in London in der National Gallery, eine der weltgrößten Gemäldesammlungen. Einige der berühmtesten Bilder der Welt hängen dort, von da Vinci über Dürer und Botticelli bis hin zu frühneuzeitlichen Künstlern, und das berühmte Wilton Diptychon. Darunter befinden sich auch einige Gemälde aus dem späten Mittelalter – und ich kann euch sagen, darunter ein #Lieblingsobjekt auszuwählen, ist mir alles andere als leicht gefallen!

Ein Künstler und eines seiner Bilder haben es mir jedoch besonders angetan: Der Hl. Lukas aus der Werkstatt des Quentin Massys, um 1520 (?). Das besondere hieran: Lukas ist als Maler in seiner Werkstatt dargestellt.

Der Legende nach war der Evangelist Lukas derjenige, der das erste Bild der Jungfrau Maria geschaffen haben soll. Traditionell wird dieses Bild mit einer Ikone identifiziert, die sich noch heute in Rom befindet: die berühmte Maria Advocata – auch wenn man mittlerweile weiß, dass sie vermutlich eher ins 5. Jahrhundert zu datieren ist. Dank dieser Legende gilt der heilige Lukas als Schutzpatron der Maler – und übrigens auch der Buchbinder, die den Malern eng verwandt sind –, und dreimal dürft ihr raten, warum unser Lukas Vos diesen Vornamen trägt 😉

Massys‘ Gemälde ist keineswegs das einzige Bild von Lukas als Maler, trotzdem hebt es sich durch seinen hohen Detailgrad von anderen Darstellungen ab. Damit ist es eine hervorragende Quelle für die Ausstattung einer spätmittelalterlichen Malerwerkstatt. Viele der Gegenstände, die Lukas in diesem Bild verwendet, werdet ihr daher auch in unserer Buchwerkstatt, der libery, wiederfinden.

Der Bildraum ist hochrechteckig und zeigt eigentlich nur einen schmalen Ausschnitt der Werkstatt. Die geschickte Perspektive gibt aber doch einen guten Eindruck vom Raum. Lukas sitzt im Vordergrund auf einem Damastkissen, vor ihm die Staffelei und das fast fertige Bild der Jungfrau (ihr könnt es gerne mal mit der Maria Advocata vergleichen 😉). Das Bild ist bereits gerahmt wie in der damaligen Maltechnik üblich. In der Hand hält er eine Palette und Gänsekielpinsel. Neben ihm steht ein dreibeiniger Hocker als Ablage für Becher, Federmesser und die Muschel zum Anmischen der Farben; zu seinen Füßen liegt der Ochse. Ochsen sind normalerweise natürlich kein fester Bestandteil von Malerwerkstätten, aber als Lukas‘ Evangelistensymbol hat er hier ikonographische Funktion.

Im Hintergrund kann man den übrigen Raum erahnen. Auf Wandborden über der Wandvertäfelung finden sich Bücher und Gefäße, womöglich für Pigmente und übrige Malzutaten. Ein Fenster in der hinteren Ecke spendet Lukas Licht. Ganz präsent über Lukas Kopf hängt an der Wand eine gerahmte Halbkugel. Sie begegnet auch in anderen Gemälden des späten Mittelalters, beispielsweise in van Eycks Arnolfini-Hochzeit (hängt übrigens auch dort!), nämlich der berühmte Spiegel. Spiegel waren in der Zeit nicht flach, sondern wurden aus aufgeschnittenen Glasballons hergestellt, die von innen mit Quecksilber bedampft wurden, um den Spiegeleffekt zu erreichen. Daher auch die gewölbte Oberfläche. Ungewöhnlich hier ist allerdings das große Format und die Darstellung im Profil. Ich musste zweimal hinsehen, um darin einen Spiegel zu erkennen – deutlich sieht man aber die Reflektion von Lukas‘ Mütze.

Massys‘ Gemälde vom Hl. Lukas als Maler ist eine ganz besondere Darstellung einer Malerwerkstatt um 1500, die mich ein bisschen an unsere eigene Werkstatt erinnert hat. Daher verdient es auf jeden Fall einen Platz als #Lieblingsobjekt.

/Mai-Britt

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